Das Rettungswesen in Niederösterreich stand in den vergangenen Monaten im Mittelpunkt intensiver Verhandlungen zwischen Land, Gemeinden und Einsatzorganisationen. Neben der Frage der Finanzierung ging es auch um strukturelle Reformen, die eine zukunftsfähige Versorgung sicherstellen sollen. Nun liegt ein Ergebnis vor, das sowohl rückwirkend finanzielle Entlastung bringt als auch langfristig neue Rahmenbedingungen festlegt.
Autor: Helmut Reindl
In Niederösterreich wurden nach langen Verhandlungen zwei wesentliche Fragen im Rettungswesen geklärt: die Finanzierung des bestehenden Gesamtvertrages sowie die Umsetzung der im Gesundheitspakt 2040+ vorgesehenen Maßnahmen. Ergebnis der Gespräche ist ein Paket, das sowohl rückwirkend die Mehrkosten der vergangenen Jahre abdeckt als auch die zukünftige Ausrichtung des Rettungs- und Krankentransportwesens auf eine stabilere Grundlage stellt. Die Rettungsorganisationen erhalten für die Jahre 2022 bis 2025 insgesamt rund 70 Millionen Euro zusätzlich. Darüber hinaus wurde ein Gemeindeunterstützungspaket vereinbart, ebenso die Verpflichtung, kontinuierlich über weitere Verbesserungen im System zu beraten.
Struktur der Notarztsysteme
Im Landtag wurde mit breiter Mehrheit die Neugestaltung der Rettungs- und Notfallstruktur beschlossen. Die Zahl der Stützpunkte für Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) wurde auf 21 fixiert. Von derzeit 32 Standorten werden elf in Zukunft umstrukturiert. Dort sollen künftig Notfallrettungen mit hochqualifizierten Notfallsanitätern erfolgen. Expertinnen und Experten wurden beauftragt, eine umfassende Standortliste für eine zukunftsfähige Versorgungsstruktur zu erarbeiten, die medizinische Qualität, Effizienz und Erreichbarkeit vereint. Ab April 2027 soll das neue krankenhausbasierte Notarztsystem den Betrieb aufnehmen.
Empfehlungen aus dem Gesundheitspakt 2040+
Zentrale Elemente der geplanten Rettungslandschaft sind:
- ein wohnortnahes First-Responder-System für lebensrettende Sofortmaßnahmen in den Gemeinden,
- die Erweiterung der Aufgaben von Acute Community Nurses als Schnittstelle zwischen Primärversorgung und Notfallmedizin,
- der Ausbau auf insgesamt 86 Rettungswagenstützpunkte (RTW-C) mit hochqualifizierten Notfallsanitätern sowie
- die Ausweitung der Flugrettung mit 24-Stunden-Betrieb, Nacht- und Schlechtwettertauglichkeit. Ergänzend vorgesehen sind der Einsatz eines erweiterten Intensiv-Transport-Hubschraubers sowie die telemedizinische Unterstützung nicht-ärztlich besetzter Einsatzmittel durch Telenotfallmediziner.
Kosten und Verteilung
Rund 56 Millionen Euro jährlich werden Land und Gemeinden künftig für das Rettungs- und Krankentransportwesen aufbringen. Hinzu kommt mindestens der gleiche Betrag aus Auftragsleistungen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), was deutlich mehr als 50 Prozent des Gesamtaufwandes entspricht. Jährlich werden rund 900.000 Rettungs- und Krankentransporte in Niederösterreich abgewickelt. Die Notarztfahrten und das Notarztsystem sind davon nicht umfasst, da sie gesondert finanziert werden. Bislang trugen die Gemeinden 72 Prozent der Kosten, das Land 28 Prozent. Seit Inkrafttreten des neuen Rettungsdienstvertrages im Jahr 2020 fielen zwischen 2022 und 2025 Mehrkosten von insgesamt 70 Millionen Euro an. Diese werden rückwirkend zur Gänze vom Land Niederösterreich getragen. Für die Gemeinden bedeutet dies ein Hilfspaket in Höhe von rund 50 Millionen Euro. Für die künftige Finanzierung bis 2030 wurde festgelegt, dass die Gemeinden einen Beitrag von durchschnittlich 19,50 Euro pro Einwohnerin und Einwohner leisten. Der Betrag ist gedeckelt, nicht valorisiert und nicht indexiert. Damit verschiebt sich das Verhältnis bei den jährlichen Gesamtkosten von 56 Millionen Euro auf 40 Prozent Gemeinden und 60 Prozent Land. Die tatsächliche Belastung einzelner Gemeinden variiert, da Faktoren wie Finanzkraft berücksichtigt werden.
Einschätzungen aus Land und Gemeinden
Landesrat Ludwig Schleritzko betonte, es sei seine Aufgabe, die finanzielle Absicherung des Rettungs- und Notfallwesens zu gewährleisten, ohne die Gemeinden übermäßig zu belasten. Deshalb übernehme das Land die gesamte Finanzierung der Mehrkosten bis 2025, wovon 50 Millionen Euro als Unterstützungspaket den Gemeinden zugutekommen. Die beiden Präsidenten der Gemeindevertreterverbände, Johannes Pressl und Andreas Kollross, erklärten in einem gemeinsamen Statement: „In harten, aber konstruktiven Verhandlungen haben wir die Basis für eine langfristige Absicherung der Finanzierbarkeit durch Land und Gemeinden gelegt. Die Finanzierung der in der Vergangenheit entstandenen Mehrkosten über die vertraglich vereinbarten Normbeträge hinaus wird zum überwiegenden Teil durch das Land Niederösterreich getragen. In Zeiten angespannter Gemeindebudgets ist das ein wichtiges Signal und eine große Unterstützung.“
Reformpfad und Effizienzsteigerung
Neben der Finanzierungsfrage wurde ein Reformpfad vereinbart, der die Zuordnung von Patientinnen und Patienten zu den jeweils geeigneten Transportmitteln verbessern soll. Ziel ist es, das jeweils wirtschaftlichste Mittel einzusetzen, ohne Abstriche bei der medizinischen Qualität zu machen. Dabei spielen auch Notruf Niederösterreich und die Landesgesundheitsagentur eine tragende Rolle. Beide Institutionen sollen künftig enger in die Steuerung und Planung eingebunden werden, um Abläufe effizienter zu gestalten und Doppelstrukturen zu vermeiden. Durch diese Zusammenarbeit soll gewährleistet werden, dass Ressourcen bestmöglich genutzt und unnötige Kosten vermieden werden. Die Reform gilt damit nicht nur als finanzielle Entlastung, sondern auch als organisatorische Weiterentwicklung des Systems. Die Verhandlungen, die über eineinhalb Jahre geführt wurden, fanden bewusst unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Alle Beteiligten hielten sich an das Prinzip der Vertraulichkeit, um emotionale Diskussionen und verhärtete Fronten zu vermeiden. Mitte August 2025 wurden die Gespräche weitgehend abgeschlossen. Am Ende stand das gemeinsame Ziel im Vordergrund: Stabilität und Versorgungssicherheit für die Bevölkerung sicherzustellen.