Bedarfsgerechte Kinderbetreuung geht nur in Partnerschaft mit den Gemeinden — ein Rechtsanspruch schafft keinen einzigen Betreuungsplatz!

Während die Diskussion über einen “Rechtsanspruch für Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr” aktuell immer mehr Fahrt aufnimmt – Die Sozialpartner (ÖGB, WK, LK, AK) und die IV bzw. auch verschiedene Parteien haben dieseForderung jüngst wieder erhoben – hat der Österreichische Gemeindebund bei der jüngsten Sitzung des Präsidiums in Laibach dem “Rechtsanspruch” eine klare Absage erteilt! Klar ist: Die Gemeinden sind bestrebt in der Zusammenarbeit mit den Eltern laufend bedarfsgerechte Angebote bereit zu stellen. Aber ein Rechtsanspruch allein schafft keinen einzigen Kindergartenplatz, sondern mehr Probleme. Denn Erfahrungen aus Deutschland, wo es einen “Rechtsanspruch” seit 2013 gibt, zeigen, was die Folgen sind:

  • Klagen gegen die Gemeinden
  • eine Kostenlawine
  • Personalmangel
  • Und noch immer keine Lösung für eine “echte Wahlfreiheit” der Eltern

Wenn wir wirklich ein umfassendes Kinderbetreuungsangebot laufend bedarfsgerecht weiterentwickeln wollen – und das wollen wir -, dann braucht es einen Blick ohne Scheuklappen auf das Problem in seiner Gesamtheit und auch einen gesamthaften Blick, der Fragen der flächendeckenden Versorgung, der unterschiedlichen Betreuungsformen, der Finanzierung des Angebotes insgesamt und der Ausbildung und Verfügbarkeit an Betreuungskräften mitberücksichtigt. Ein einseitiges “Ausrichten” der Wünsche ohne einen ernsthaften Dialog mit den Gemeinden wird keinen einzigen Betreuungsplatz schaffen! Und Klagen, wie sie in Deutschland nun schon gang und gäbe sind, schaffen mehr Probleme als Lösungen!

Im Rahmen des Österreichischen Gemeindebundes fordern wir neben mehr finanziellen Mitteln vor allem dringende Verhandlungen über die Zukunft der Kinderbetreuung und langfristig sinnvolle Überlegungen, um nicht ähnliche Probleme wie in Deutschland zu bekommen! Schließlich sind es genau jene Kinder, die wir jetzt betreuen, die dann in der nächsten Generation für unüberlegte Entscheidungen die Zeche zahlen müssen!

Rechtslage in Deutschland – Kommunalisierung ein sich abzeichnender Trend

Seit 2013 gibt es den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab einem Jahr bei unseren nördlichen Nachbarn:

  • Dieser Anspruch wurde als Teil der “öffentlichen Fürsorge” geregelt, vonseiten der Länder wurden dazu Ausführungsgesetze beschlossen.
  • Aufgabe der Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte ist es, Betreuungsplätze bereitzustellen.
  • Der Bedarf hierfür richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Familien.
  • Schadenersatz (siehe auch obiger Beitrag von Bernd Hinke) i.H.d. Verdienstausfalls darf geltend gemacht werden.
  • Seit Einführung des Rechtsanspruchs sind die Kosten für Kommunen von 23,8 auf 36,9 Milliarden € gestiegen!
  • Bis 2030 werden deutschlandweit zusätzlich 300.000 pädagogische Fachkräfte benötigt.
  • Der Rechtsanspruch wurde nun auf die Nachmittagsbetreuung bei Grundschulkindern ausgeweitet.

Kommunalisierung auch in Österreich?

Das Beispiel Deutschland zeigt auf, wie die Kommunalisierung – die Verlagerung der Verantwortung und Finanzierung von der Landes- auf die Gemeindeebene immer gravierendere Formen annimmt. Nun werden auch hierzulande immer mehr Stimmen laut:

  • SPÖ OÖ und Tirol fordern Rechtsanspruch auf eine dreiwöchige Sommerschule.
  • In Vorarlberg wird gerade an einem neuen gesetzlichen Rahmen für die Kinderbetreuung gearbeitet. Dieser soll unter Forderung von NEOS & Grünen einen Rechtsanspruch beinhalten.
  • In der Steiermark fordern AK, ÖGB, IV, WK und LK einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für Kinder ab einem Jahr.
  • Österreichweit gab es am 11.10. eine Pressekonferenz der Sozialpartner & IV zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, in der ebenso ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab einem Jahr gefordert wird!

Die Probleme für die Gemeinden:

Sowohl finanziell und personell, als auch organisatorisch – ein Blick, beispielsweise nach Salzburg zeigt, dass die Gemeinden zu wenig Personal für die Kinderbetreuungseinrichtungen finden und sogar Gruppen zusperren mussten.

Die Debatte über einen Rechtsanspruch führt sich damit ad absurdum!

Der österr. Gemeindebund fordert langfristige Überlegungen mit Hausverstand:

Der Österreichischer Gemeindebund fordert daher neben mehr finanziellen Mitteln vor allem dringende Verhandlungen über die Zukunft der Kinderbetreuung. Es bedarf langfristiger Überlegungen, um nicht dieselben Probleme wie Deutschland zu bekommen, es bedarf einer gemeinsamen Kraftanstrengung wie etwa durch Gemeindekooperationen, um dadurch auch individuelle Lösungen vor Ort mit den Eltern zu ermöglichen, damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden kann!

Zahlen & Fakten zur Kinderbetreuung in NÖ

Ist-Wert laut Kindertagesheimstatistik 2020/21:

ÖsterreichWien
0 bis 2 Jahre27,6%25,9%43,1%
3 bis 5 Jahre92,6%97,3%89%
OÖ, Stmk, Sbg & Kärnten liegen bei Betreuung der 0-2-Jährigen hinter NÖ

Ausbau der Tagesbetreuungseinrichtungen in NÖ seit Jänner 2018:

  • Jänner 2018 bis Sept./Okt. 2021: 184 neue TBE-Gruppen.
  • Bis Ende 2022 werden voraussichtlich noch 20 TBE-Gruppen dazu kommen.
  • Bis zu 408 neue Jobs

Ausbau Kindergärten in Niederösterreich seit Jänner 2018:

  • Jänner 2018 bis Sept. 2021: 241 zusätzliche Gruppen
  • Bis Ende 2022 werden voraussichtlich noch 60 Kindergartengruppen dazu kommen.
  • 602 Jobs (Pädagoginnen und Betreuerinnen)

Keine verwandten Beiträge gefunden.

Beitrag teilen:

Das könnte Sie auch interessieren

Kinderbetreuung: Bekenntnis zum Ausbau aber gegen einen Rechtsanspruch!

Das Präsidium des Österreichischen Gemeindebundes hat parteiübergreifend und einstimmig ein Positionspapier zum Thema Kinderbetreuung…