Derzeit geht es für Niederösterreichs Gemeinden um die sprichwörtliche “Wurst”. Die Verteilung der Steuergelder zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird neu verhandelt. Wie diese Verhandlungen um den Finanzausgleich ablaufen, was die zentralen Knackpunkte sind und warum es für mehr Leistung auch mehr Mittel braucht, erklären NÖ Gemeindebund Präsident Hannes Pressl und Finanzlandesrat Ludwig Schleritzko in zwei Kurzvideos
Was fordern unsere Gemeinden beim Finanzausgleich?
Pressl: “Am Gemeindetag wurde eine Resolution verabschiedet. Grundsätzlich brauchen wir mehr Mittel aus dem Finanzausgleich. Derzeit erhalten die Gemeinden 12 Prozent des Steueraufkommens. Das müssen aus unserer Sicht 15 Prozent werden. Diese Mittel brauchen wir für drei Säulen: Die Kinderbetreuung, die Pflege und Betreuung älterer Menschen und die Gesundheitsfinanzierung. Die Gemeinden tragen hier gemeinsam mit den Ländern die Hauptlast der Finanzierung, hier braucht es zusätzliche Mittel.”
Kosten für Kinderbetreuung, Pflege und Gesundheit stark gestiegen – ohne Ersatz
Schleritzko: “Hier sind die Belastungen für die Länder und Gemeinden überproportional zum Bund gestiegen. Eine zentrale Forderung ist es, hier eine neue Verteilung der Kosten zu treffen, es braucht eine Erhöhung.”
Strukturfonds: 150 Millionen für strukturschwache Gemeinden
Pressl: “Vierte zentrale Forderung ist die Aufstockung des Strukturfonds. Schon jetzt gehen viele Millionen Euro in Randgemeinden im ländlichen Raum. Hier fordern wir eine Aufstockung der Mittel auf 150 Millionen Euro. Denn eine ländliche Gemeinde hat natürlich nicht so viele Einnahmen, aber trotzdem Infrastrukturausgaben. Periphäre Gemeinden haben Probleme in Bereichen wie Mobilität, wo sich eine Stadt leichter tut. Da brauchen wir eine Reform”
Reform der Grundsteuer: Erste Anpassung seit 25 Jahren und einfache Verwaltung für Gemeinden
Pressl: “Die Reform der Grundsteuer ist mir besonders wichtig. Die Grundsteuer ist eine der wenigen direkten Abgaben für die Gemeinden. Hier hat es seit 25 Jahren keine Valorisierung gegeben. Hier braucht es eine neues, einfaches Berechnungsmodell, das wir in den Gemeinden selbst handhaben können. Und wir brauchen eine Anpassung der Beträge. Das wäre gerecht, um die Einkommenssituation der Gemeinden zu verbessern.”
Wie laufen die Verhandlungen eigentlich ab?
Pressl: “Man hört in den Medien immer nur von den Runden, in denen Politiker zusammensitzen. Aber davor gibt es monatelange Expertisen, Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen zu verschiedenen Detailthemen, wo miteinander verhandelt wird. Und da sind wir mit unseren Fachleuten vom Österreichischen Gemeindebund sehr gut vertreten. Die Länder-Gemeindebünde arbeiten zu, wo es notwendig ist. Und deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass in den politischen Runden ein gutes Ergebnis erzielt werden kann, weil hier fachlich sehr gut vorgearbeitet worden ist.
Länder und Gemeinden beim Finanzausgleich in einem Boot
Schleritzko: “Länder und Gemeinden sitzen beim Finanzausgleich in einem Boot. Das ist ein Thema, das Land und gemeinden intensiv beschäftigt. Wir sind hier – wie auch in der Vergangenheit – in sehr guter und enger Abstimmung. Wir stimmen uns deshalb so gut ab, weil mit erhöhten Mehrausgaben zu rechnen ist.”
Mobilität, Schülerfreifahrt und Inklusion nicht vergessen
Pressl: “Es gibt zwei wichtige Themen, die beim grossen Finanzausgleich vielleicht Randthemen sind, die uns Gemeinden aber extrem wichtig sind. Das eine Ist Mobilität. Eine Finanzierung des Umstieges auf den öffentlichen Verkehr ist dringend notwendig. Dazu gehört auch die Schülerfreifahrt, wo immer mehr Mittel notwendig sind. Hier brauchen wir wieder etwas mehr Spielraum. Damit die Gemeinden nicht draufzahlen müssen, denn sonst dürfte es vom Bund nicht Schülerfreifahrt heissen. Da muss der Bund die Gemeinden unterstützen.
Es wäre Unehrlich zu sagen: “Wir wollen das, aber keiner will es zahlen”
Das zweite Thema ist Inklusion. Wir tun in den Gemeinden alles dafür, dass wir Menschen mit besonderen Bedürfnissen in allen Lebenslagen mitnehmen, aber die entsprechende Finanzierung haben wir nicht. Alle wollen das von uns, und deshalb ist für uns wichtig, dass wir etwa für Stützkräfte in Kindergärten und Schulen oder für Maßnahmen mit denen wir den Inklusionsgedanken leben, eine entsprechende Unterstützung bekommen. Vorallem bei der Kinderbetreuung und der Ausbildung ist uns das wichtig, denn es wäre unehrlich zu sagen wir wollen das, aber keiner will es zahlen.”
Der Zeitplan. Wann werden die Verhandlungen abgeschlossen?
Schleritzko: “Wir blicken hoffnungsfroh auf die gute Partnerschaft mit dem Gemeindebund und glauben, hier im laufenden Jahr 2023 eine gute Lösung zu finden. Es wird im September wieder Gespräche mit dem Bund geben, und spätestens im September sollte der Finanzausgleich abgeschlossen sein. “Pressl: “Es drängt die Zeit, und es ist jetzt notwendig – auch wenn es hitzig ist – ein bisschen deutlicher zu reden und die Dinge auszuverhandeln.”