Im Wettlauf um einen Arzt sind Gemeinden geneigt, Praxen großzügig zu unterstützen. Einfach ist es trotzdem nicht.
Beitrag von Helmut Reindl
Seit Jahren nimmt die Zahl der niedergelassenen Kassenärzte ab, und immer mehr Medizinerinnen und Mediziner – egal ob Haus- oder Fachärzte – entscheiden sich dafür, Wahlarzt zu werden. Der Mangel an Hausärzten wird vor allem im ländlicheren Raum spürbar.
Nicht wenige kleine Gemeinden kämpfen händeringend darum, leerstehende Landarztpraxen zu besetzen.
In Niederösterreich sind derzeit rund 70 Kassenstellen nicht besetzt. „Das größte Problem für einen jungen Arzt oder eine junge Ärztin ist meist das fehlende Geld, denn die Einrichtung einer Praxis kostet mehr als hunderttausend Euro“, umreißt Max Wudy, Allgemeinmediziner in Bad Vöslau und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in Niederösterreich, das Problem. Außerdem braucht man natürlich geeignete Räumlichkeiten. „Hier können Gemeinden aktiv werden und sowohl Räumlichkeiten für Praxen, aber auch Wohnmöglichkeiten anbieten. Eventuell mit verringerter Miete oder auch, dass für die ersten Jahre gar keine Miete zu zahlen ist“, sagt Wudy.
„Wo Räume zur Verfügung gestellt werden, gibt es kaum das Problem, dass sich kein Arzt findet, der die Stelle übernehmen möchte“, meint Wudy, der es bedauert, dass es seit mittlerweile fast 25 Jahren die Funktion des Gemeindearztes nicht mehr gibt. „Der Gemeindearzt war verpflichtet, am Dienstort zu wohnen und dort eine Kassenpraxis zu betreiben. Die Gemeinde wiederum war dazu verpflichtet, eine Ordination und eine Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen.“
Attraktiv dank Hausapotheke
In Viehdorf, Bezirk Amstetten, ging Ende 2023 der langjährige Arzt in Pension. Bereits im Vorfeld wurde in der Gemeinde ein Arbeitskreis gegründet, um zu überlegen, wie man einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin in den Ort bekommen könnte. Die Ordination befand sich damals direkt in Viehdorf, neben der Kirche, hatte aber keine Hausapotheke. Es zeigte sich, dass es zwar Interessenten gab, die sich vorstellen konnten, die Arztstelle zu übernehmen, allerdings nur dann, wenn diese auch mit einer Hausapotheke verbunden war, die die Position finanziell attraktiv macht.
Dafür war aber der gesetzlich notwendige Abstand zur nächsten öffentlichen Apotheke zu gering.

Die neue Ordination in Viehdorf. Die Ärztin wurde in die Planung miteinbezogen.
Aus diesem Grund entschied man sich für einen Neubau in der Katastralgemeinde Hainstetten und errichtete auf einer 1.400 m2 großen Parzelle eine neue Ordination inklusive Hausapotheke.
Als wichtig, um die Arztstelle zu besetzen, erwies es sich, dass die anderen in der Gemeinde tätigen Mediziner eingebunden wurden. Durch deren Netzwerk fand sich eine interessierte Ärztin. Diese wurde in die Planung der Ordination einbezogen, sodass das Gebäude den Anforderungen einer modernen Praxis entspricht. Die Gartengestaltung wurde von der Landjugend übernommen, und es wurden zehn Parkplätze inklusive einer Tankstelle für E-Autos errichtet. Insgesamt investierte die Gemeinde rund 1,25 Millionen Euro.
„Das ist natürlich viel Geld, aber wichtig ist, dass wir eine Ärztin haben.“ – Bürgermeister Franz Zehethofer.
Es ist nicht leicht
Aber selbst, wenn eine Gemeinde sehr engagiert ist, um einen Arzt in den Ort zu locken, tun sich oft viele Schwierigkeiten auf: In Guntersdorf, im Bezirk Hollabrunn, wird derzeit an der Stelle des früheren Gemeindeamts ein Ärztezentrum errichtet. Das Gebäude hat 450 m2, im oberen Stockwerk entstehen 17 Wohnungen für betreubares Wohnen. Die Kosten belaufen sich auf mehr als zwei Millionen Euro. „Das Geld haben wir aus dem laufenden Budget herausgespart“, berichtet Bürgermeister Roland Weber.

Das zukünftige Ärztezentrum in Guntersdorf.
Im oberen Stockwerk entstehen Wohungen für betreubares Wohnen.
Im Ort gibt es eine Ärztin, die aber schon über 60 Jahre ist und deren Ordination sich in ihrem privaten Gebäude befindet. „Die Überlegung war, dass, sollte die Ärztin einmal in Pension gehen, wir eine Ordination für den Nachfolger brauchen werden“, erläutert Weber. Jahrelang wurde nachgedacht, was man tun kann. 2020 kaufte die Gemeinde das ehemalige Gemeindeamt wieder zurück und riss es ab. Zwei Drittel wurden an einen Wohnbauträger verkauft, der das neue Gebäude errichtet. Die Gemeinde kaufte die Anteile des Bauträgers wieder zurück. „Das kommt zwar teurer, aber dann hätte ich im oberen Stock keine Wohnungen“, erklärt Weber.
Das Zentrum soll von mehreren Medizinern genutzt werden. Es wird acht Behandlungsräume geben. Die Gemeinde wird das Gebäude drei Jahre mietfrei stellen. Schwierig ist, dass die im Ort bereits ansässige Ärztin – die einen Kassenvertrag und eine Hausapotheke hat – mitentscheiden will, welche Ärzte das Gebäude nutzen. Bisher konnte keine Einigung erzielt werden.
Für Frustration bei Bürgermeister Weber sorgt aber auch, dass es keine Förderung des Landes und keinerlei Unterstützung durch die Ärztekammer oder die Gesundheitskasse gibt.
„Ich halte das Projekt für sehr vernünftig, aber wenn einem so viele Prügel vor die Füße geworfen werden, ist es schwierig.“ – Bürgermeister Roland Weber
Vorzüge der Gemeinde hervorheben
Was kann eine Gemeinde sonst noch tun, um für eine Ärztin oder einen Arzt interessant zu sein?
Neben finanzieller Hilfe sollte man die eigenen Stärken kommunizieren. Das kann ein attraktives landschaftliches und kulturelles Umfeld sowie die Nähe und Erreichbarkeit eines zentralen Ortes sein. Für junge Ärzte, die eine Familie haben, kann das ein Kindergarten oder eine Schule in der Nähe sein. Für Interessenten, die eine Partnerin oder einen Partner haben, ist interessant, ob es für diese einen Arbeitsplatz gibt. Wichtig ist natürlich auch, wie groß das Einzugsgebiet und damit die Patientenzahl ist oder ob es weitere Mediziner vor Ort gibt, sodass man einander vertreten kann und einen kollegialen Austausch führen kann.