Niederösterreich stellt das Gesundheitssystem neu auf

Wie kann ein Gesundheitssystem zukunftsfähig bleiben, wenn die Bevölkerung gleichzeitig älter, kränker und weniger wird? Niederösterreich steht vor einem tiefgreifenden demografischen Wandel – und zieht nun Konsequenzen. Der neue Gesundheitsplan 2040+ soll sicherstellen, dass auch in Zukunft alle Menschen im Land gut, schnell und wohnortnah medizinisch versorgt werden. Was sich ändert, was bleibt und was das für Patientinnen und Patienten bedeutet.

Autor: Helmut Reindl

Unsere Gesellschaft wird immer älter – und zwar schnell: Bis 2040 wird in Niederösterreich eine halbe Million Menschen über 65 Jahre alt sein. Das ist jede dritte Person. Die Zahl der über 85-Jährigen wird sich in den nächsten 25 Jahren mehr als verdoppeln. Dazu kommt, dass die geburtenstarke Baby-Boomer- Generation in Pension geht. Auf der anderen Seite gehen die Geburtenzahlen stark zurück. In den letzten acht Jahren haben sich die Geburten um 23 Prozent reduziert. Der demografische Wandel ist damit eine der größten Herausforderungen, dem sich die Gesellschaft stellen muss. Gerade im Gesundheitsbereich ist Handeln dringend erforderlich. Die niederösterreichische Landesregierung hat daher ein Expertengremium beauftragt, einen Plan auszuarbeiten, um das Gesundheitssystem auf neue Beine zu stellen.

Leitprinzipien

Dazu wurden zunächst die Herausforderungen definiert und daraus sieben Leitprinzipien abgeleitet:

  • Erstklassige Prävention und Gesundheitsvorsorge
  • Schnelle und vollkommene Rettungskette
  • Wachsende und älter werdende Bevölkerung
  • Jederzeitige Erst- und Akutversorgung
  • Behandlung chronischer Krankheiten
  • Optimale Nachsorge und Rehabilitation
  • Hochwertige Aus- und Weiterbildung

Diese Prinzipien bildeten die Basis für die weitere Planung. Für die Bevölkerung sollen sie so umgesetzt werden und wirken:

  • Alle erhalten die Versorgung, die sie brauchen in der geforderten Qualität zum notwendigen Zeitpunkt.
  • Klar definierte und konsequente Versorgungskette über die Versorgungsgrenzen hinweg.
  • Schaffung von guten Rahmenbedingungen für Personal (inkl. Aus-, Fort- und Weiterbildung), damit die richtigen Leute am richtigen Ort sind.
  • Qualitätsgesicherte, optimale Verteilung von Leistungen durch Bündelung (Krankenhaustypologien).
  • Erhaltung der Gesundheit für die NÖ Bevölkerung bis ins hohe Alter so gut wie möglich (Prävention, Gesundheitsvorsorge).

Einheitliches Konzept für ganz Niederösterreich

Der neue Gesundheitsplan 2040+ ist ein gemeinsames Projekt der aus ÖVP, FPÖ und SPÖ bestehenden Landesregierung. Ziel ist eine nachhaltige Absicherung der Gesundheitsversorgung im Bundesland. Der Plan wurde unter Berücksichtigung regionaler Bedürfnisse und internationaler Erfahrung entwickelt.

Kliniken mit klaren Rollen und Funktionen

Ein zentraler Baustein des Plans ist die Umstrukturierung der Klinikenlandschaft. Dabei werden Krankenhäuser künftig vier unterschiedlichen Kategorien zugeordnet:

  1. Zentralkrankenhäuser mit überregionalen Funktionen (KHZF)

Diese befinden sich in St. Pölten und Wiener Neustadt. Sie verfügen über die höchste Spezialisierungsstufe sowie den größten Leistungsumfang im Land. Hier werden besonders komplexe medizinische Leistungen erbracht.

  1. Krankenhäuser mit regionalen Schwerpunktfunktionen (KHSPF)

In jeder Gesundheitsregion Niederösterreichs wird mindestens ein solches Krankenhaus betrieben. Sie übernehmen die erweiterte Erst- und Akutversorgung sowie die Behandlung chronischer Erkrankungen. Zudem bieten sie vertiefende Diagnostik und verschiedene medizinische Spezialisierungen an.

  1. Krankenhäuser mit Grundversorgungsfunktionen (KHGF)

Ebenfalls in jeder Region verankert, bilden diese Einrichtungen das Fundament der  Basisversorgung. Sie sind auf allgemeinchirurgische und internistische Leistungen fokussiert.

  1. Sonderkrankenanstalten (SKA)

Diese Häuser widmen sich spezifischen Krankheitsbildern. Ein Beispiel ist das Klinikum Allentsteig, das auf neurologische Rehabilitation spezialisiert ist. Sie agieren in ihrer Spezialisierung teilweise auf ähnlichem Niveau wie Zentralkrankenhäuser. Die medizinischen Leistungen werden innerhalb jeder Region gebündelt, sodass Patientinnen und Patienten auch künftig wohnortnahe und vollständige Versorgung erhalten. Der Plan sieht vor, dass in jeder Region mindestens ein Standort für Altersmedizin und Pflege ausgebaut wird.

Struktur schafft Qualität und Routine

Durch die Konzentration bestimmter Leistungen auf ausgewählte Standorte soll das medizinische Personal durch häufige Anwendung mehr Routine gewinnen. Dies erhöht laut Fachmeinung die Behandlungsqualität. Ziel ist es, dass Patientinnen und Patienten zum passenden Zeitpunkt, am richtigen Ort, von entsprechend qualifiziertem Personal betreut werden.

Ausbau der Primärversorgungseinheiten

Ergänzend zu den Kliniken sieht der Gesundheitsplan eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung vor. In allen Bezirkshauptstädten soll bis Ende 2028 mindestens eine  Primärversorgungseinheit (PVE) eingerichtet werden. In diesen Einrichtungen arbeiten Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner, Kinderärztinnen und -ärzte sowie weitere Gesundheitsberufe interdisziplinär zusammen. Derzeit bestehen bereits zwölf  Primärversorgungseinheiten, zwei weitere sind bis Ende 2025 geplant. PVEs sollen insbesondere die Notaufnahmen der Spitäler entlasten und gleichzeitig eine einfach zugängliche Versorgung im niedergelassenen Bereich ermöglichen.

Facharztzentren als zweite Säule

Neben den PVE sollen sogenannte Facharztzentren entstehen. Dort sind unterschiedliche Fachrichtungen unter einem Dach vereint – sowohl Ärztinnen und Ärzte mit Kassenvertrag als auch Wahlärztinnen und -ärzte. Diese Zentren sollen eine wohnortnahe, qualifizierte Versorgung sicherstellen und gleichzeitig einen niederschwelligen Zugang zu Spezialistinnen und Spezialisten ermöglichen. Durch diese zweite Versorgungsebene soll der Druck auf die Kliniken weiter reduziert werden. Patientinnen und Patienten können ihre Anliegen rasch und unkompliziert direkt bei niedergelassenen Fachkräften abklären lassen.

Notfallversorgung rund um die Uhr

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Notfallversorgung. Diese soll in ganz Niederösterreich flächendeckend, jederzeit und ortsunabhängig verfügbar sein. Innerhalb von 20 Minuten nach einem Notruf soll ein Rettungsteam vor Ort eintreffen – per Rettungswagen oder Hubschrauber. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten direkt vor Ort zu stabilisieren und damit die akute Lebensgefahr zu bannen. Erst danach erfolgt der Transport in eine geeignete Klinik. Entscheidend für die Auswahl des Zielkrankenhauses ist nicht die geografische Nähe, sondern die Ausstattung und aktuelle Verfügbarkeit medizinischer Ressourcen. Die Flugrettung wird dazu technisch aufgerüstet und personell erweitert. Künftig soll sie auch bei widrigen Wetterverhältnissen einsatzbereit sein.

Schrittweise Umsetzung und Versorgungssicherheit

Strukturveränderungen erfolgen laut dem Gesundheitsplan ausschließlich dann, wenn zuvor gleichwertige oder bessere Alternativen etabliert wurden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Bevölkerung während der gesamten Umsetzungsphase Zugang zu funktionierenden Gesundheitseinrichtungen hat. Die Umsetzung des Plans ist langfristig angelegt. Kurzfristige Änderungen sind nicht vorgesehen. Erst wenn medizinische und infrastrukturelle Voraussetzungen erfüllt sind, sollen neue Strukturen aktiviert und bestehende angepasst werden.

Verbesserungen für Patientinnen und Patienten

Für die Bevölkerung bedeutet der neue Gesundheitsplan vor allem eine höhere Versorgungsqualität. Durch Spezialisierung und gezielte Verteilung der Behandlungen soll die bestmögliche medizinische Betreuung gewährleistet werden. Gleichzeitig werden unnötige Wartezeiten reduziert. Die Wege zur Versorgung werden laut Plan einfacher und transparenter. In jeder Region sollen künftig nahezu alle medizinischen Leistungen in erreichbarer Nähe angeboten werden. Für planbare Eingriffe kann sich die Anfahrtszeit zwar geringfügig verlängern, doch dies soll durch eine deutlich höhere Behandlungsqualität kompensiert werden.

Klinikverbünde für mehr Effizienz

Ein weiterer Bestandteil des Plans ist die Bildung von Klinikverbünden. Dabei arbeiten mehrere Krankenhäuser in einer Region enger zusammen. Bestimmte Leistungen werden an einem zentralen Standort konzentriert. Hintergrund ist, dass in kleineren Häusern manche Eingriffe nur noch selten durchgeführt werden. Dies führt zu einem Verlust an Routine und Qualität.

Durch die Zusammenlegung solcher Leistungen an spezialisierten Orten soll die Behandlungsqualität für alle Patientinnen und Patienten gesichert werden. Auch für das medizinische Personal bedeutet dies mehr Sicherheit im Berufsalltag. Die Devise lautet: Was häufig gemacht wird, wird besser gemacht.

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