Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Herausforderungen für das tägliche Leben, ein Mitarbeitermangel quer durch alle Branchen und Regionen – die heimischen Unternehmen sahen und sehen sich mit großen Herausforderungen konfrontiert. Wie es derzeit vor allem um die kleineren Betriebe in NÖ Regionen steht, haben uns WKNÖ-Branchenvertreter verraten…
Lebensmittelhandel
Der Wirtschaftszweig Lebensmittelhandel steht wie kaum ein anderer für höchste Lebensqualität in den Gemeinden. Rund 2.100 Lebensmittelhändler sind in Niederösterreich derzeit Ein-Personen-Unternehmen, was 65 Prozent aller im Lebensmittelhandel eingereihten Unternehmen entspricht. Ca. 900 Unternehmen, oder rund 28 Prozent aller Unternehmen haben zwischen einem und neun Mitarbeitern. Mit dem Schreckgespenst COVID kamen viele Probleme ins Land, die auch für Versorgungsengpässe gesorgt hat. Gerhard Holub, der Obmann des NÖ Lebensmittelhandels, konnte der schwierigen Lage aber auch etwas Positives abgewinnen: „Die Pandemie und die Energiekrise haben das Bewusstsein für die Bedeutung einer sicheren Versorgung mit Lebensmitteln wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Der Regionalität kam hierbei sowohl bei der Herkunft der Produkte als auch im Hinblick auf die Nähe des Lebensmittelversorgers zum Wohnort besondere Bedeutung zu. Hierbei spielten sicher auch die stark gestiegenen Treibstoffpreise eine Rolle.“ Regionale Einkäufe erlebten in Corona-Zeiten also einen Aufwind. Doch die Energiepreiskrise holt nun viele Greißler auf den Boden der Realität zurück: „Gerade auf die kleineren Betriebe wirkt sich diese Krise teils dramatisch aus. Die Kosten für Kühlung, Beleuchtung und Heizung stellen viele Kleinbetriebe vor existenzielle Herausforderungen. Dies ist besonders vor dem Hintergrund, dass genau diese Betriebe häufig der einzige Nahversorger im Ort sind, eine besorgniserregende Entwicklung.“ Wenn diese Unternehmen schließen, hätte dies äußerst negative Auswirkungen auf die Lebensqualität in vielen ländlichen Gemeinden, weiß Holub. Wie wichtig gerade jetzt das Verhältnis zwischen Bürgermeister und den KMU ist, wird der Obmann der Sparte Lebensmittelhandel nicht müde zu betonen: „Gerade in kleineren Gemeinden gibt es in der Regel einen engen und guten Austausch mit den Bürgermeistern. Die Ortschefs sind es auch, die sich in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten für die Nahversorger stark machen, da Ihnen die Bedeutung des Lebensmittelhandels für die Lebensqualität in den Gemeinden bewusst ist.“
Gewerbe und Handwerk
Ganz unterschiedlich sind die Prognosen für die Gewerbetreibenden und Handwerksbetriebe in Niederösterreich. Spartenobmann Jochen Flicker sieht gerade für Betriebe, die etwa für die Umstellung oder den Ausbau erneuerbarer Energien verantwortlich sind, rosige Zeiten anstehen: „Zum Teil können Unternehmen Aufträge gar nicht mehr annehmen, weil ihnen dafür die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen.“ Womit Flicker auch schon des Pudels Kern aufdeckt – den Fachkräftemangel, der sich mittlerweile in vielen Bereichen zu einem generellen Arbeitskräftemangel ausgedehnt habe.
Andere Betriebe würden auch spüren, dass die Menschen angesichts der Teuerungen nun weniger ausgeben würden. Und natürlich seien auch die Unternehmen selbst von den Teuerungen, insbesondere im Energiebereich, massiv betroffen. „Da müssen die vereinbarten Unterstützungen jetzt rasch bei den Betrieben ankommen – je rascher, umso besser“, so Flicker, der hinsichtlich des Ukraine-Konflikts vor allem situative Nachjustierungen wünscht: „Inflation, Energiepreise, Materialengpässe – das alles trifft unsere Unternehmen natürlich. Umso wichtiger ist es, die Situation ständig zu beobachten, ständig neu zu bewerten und ständig zu schauen, was unsere Unternehmen angesichts der Herausforderungen durch den Krieg brauchen.“
Rund 155.00 Beschäftigten bietet die Sparte derzeit einen Arbeitsplatz und sorgt vor allem für eine Vielfalt in den Regionen und Kommunen, wie Flicker abschließend betont: „Das betrifft natürlich Arbeitsplätze, aber ebenso die Ausbildung der Jugend, Stichwort Lehre, und die gesamte Vitalität und Lebensqualität in den Gemeinden. Wenn man bedenkt, dass rund 80 Prozent der Arbeitgeberbetriebe im niederösterreichischen Gewerbe und Handwerk zwischen einem und maximal neun Beschäftigten haben, zeigt das deutlich, welche Vielzahl an Betrieben hinter diesen 155.000 Beschäftigten steht und wie sehr diese Betriebe auch die Gemeinden mitprägen und für wirtschaftliche Stabilität sorgen.“
Gastronomie
Wenn es ums Dorfleben geht, dann prägt es kein Betrieb so sehr wie das Wirtshaus ums Eck. Erster Treffpunkt zur Kontaktpflege, wichtiger Arbeitgeber, Ausbildner von Lehrlingen zu Fachkräften und wichtiger Indikator für ein funktionierendes Gemeinwesen. „Die Gastronomiebetriebe sind bestrebt, ihre Arbeitsbedingungen permanent attraktiver zu machen, etwa durch Personalunterkünfte, bessere Entlohnung, flexiblere Arbeitszeitmodelle. Eine gute Möglichkeit, künftige Fachkräfte von der Branche zu begeistern, ist der Kontakt zu den Schulen. Schnuppertage und Berufsmessen sind ebenfalls gute Möglichkeiten, um mit jungen Menschen in Kontakt zu treten“, weiß Spartenchef Mario Pulker um die Aufgabe, den Gastrobereich für jüngere Arbeitnehmer wieder attraktiver zu gestalten und den Personalproblemen Herr zu werden. Personalprobleme und vor allem die Teuerung machen den heimischen Wirten zu schaffen. Pulkers Ratschläge, wie der Gastronomie nun geholfen werden kann, sind vielseitig: „Veranstaltungen in Gastgewerbebetrieben abhalten, nicht in Vereinslokalen, Feuerwehrdepots, Gemeindesälen und dergleichen. Ebenso wie Ausschank- und Feste-Aktivitäten der Vereine im verträglichen Rahmen zu halten. Wichtig ist es auch, dass Gemeinden örtliche Tourismuskonzepte erstellen und die Parkplatz- und Verkehrssituation entsprechend ausrichten.“