Wie verhandelt man mit Forderungsstellern?

Ob mit den “Gemeinde-Partnern” wie der Post, den ÖBB und Mobilfunkbetreibern, oder großen Bauträgern: Für den Gemeindechef ist Verhandlungsgeschick das Um und Auf.

Beitrag von Karl Testor

„Aber ich will, ich will, ich will!“ – Welche Eltern kennen diese Situation nicht? Ein Kind sieht beim Einkaufen etwas, das es unbedingt will. Lautstark werden die Eltern in Kenntnis gesetzt, dass gerade ein Überlebenskampf tobt. Wussten sie, dass es manchen Kindern in diesem Moment gar nicht um den Gegenstand an sich geht?!

Einschränkung Erfahrung
Wir Menschen sammeln im Laufe des Lebens Erfahrungen. Mit der Zeit „braucht man uns nichts mehr erzählen“, weil wir uns schon auskennen. Blöd nur, wenn wir die Stopptafel übersehen haben, die neuerdings an der Kreuzung am Nachhauseweg angebracht wurde und wir jetzt fast einen Autounfall verursacht hätten. Ein ähnliches Phänomen kennt man bei Veränderungen von Geschwindigkeitsbegrenzungen oder wenn Baustellen Umleitungen notwendig machen. Menschen benötigen eine gewisse Zeit, sich auf das Neue einzustellen. Unsere Erfahrung hemmt uns. Was hat das jetzt mit Verhandlungen zu tun?

Im Alltag „verhandeln“ wir unterschiedliche Dinge. Wohin geht der Urlaub? Welchen Film schaut man? Was gibt es zum gemeinsamen Essen und wo? Diese Beispiele eint, dass es sich meist um ein „Entweder-oder-Schema“ handelt. Bei solchen Verhandlungen scheint es nur gewinnen oder verlieren zu geben. Der Kompromiss – „Machen wir heute so und morgen anders.“ – ist schon eine Teilniederlage, weil wer „darf“ heute? Diese Situationen prägen uns darin, was wir allgemein von Verhandlungen erwarten. Es kann nur Sieger und Verlierer geben, die Frage ist dann nur, wie stark ausgeprägt.

Kommen wir zurück zu unserem schreienden Kind. Offensichtlich sind wir hier wieder in einer solchen Situation. Eine der beiden Seiten muss jetzt gewinnen! Wer setzt sich durch?!

An dieser Stelle wollen wir ein kleines Gedankenexperiment einwerfen. Was ist, wenn es dem Kind gar nicht um den Gegenstand an sich geht? Vielleicht ist der Prozess wichtiger als das Ergebnis? Kinder brauchen Sicherheit und Liebe, was sich durch Nähe und Aufmerksamkeit der Bezugsperson(en) ausdrücken sollte. Wenn dieses Bedürfnis nicht gestillt wird, entsteht ein Defizit, ähnlich anderen Bedürfnissen: Wenn wir nicht essen, bekommen wir Hunger, werden vielleicht sogar aggressiv. Im Englischen gibt es ein Wort dafür: Hangry… also emotional. Manch eine Person unter uns wird dann sogar richtig aggressiv. Kinder, denen die Aufmerksamkeit fehlt, geht es ähnlich. Sie drücken ihr Bedürfnisdefizit emotional aus.

Verhandeln sollte Bedürfnisse befriedigen
Wir wollen hier jetzt keinen Erziehungsratgeber lesen. Zugleich ist es wesentlich, dass Menschen oft mehr als das Offensichtliche wollen. Ähnlich wie bei unserem Beispiel mit dem Kind ist ein Verlangen nach einem (Verhandlungs-)Gegenstand oft mit ganz anderen Hintergründen versehen, als auf den ersten Blick klar zu sein scheint. Wir wollen nun herausfinden, um was es eigentlich (!) geht! Übrigens gilt das sowohl für das, was unser Gegenüber will, als auch für das, was wir wollen. Wir wollen das Verlangen aller Beteiligten aufdecken, das in der Verhandlung mitschwingt!

Die meisten Ratgeber für Verhandlungsführung schlagen vor, dass man sich auf Verhandlungen gut vorbereiten sollte. Man möge sich anschauen, was an Alternativen vorhanden ist oder sich in das Gegenüber hineindenken. Vielleicht bereitet man Tabellen und Diagramme vor, sammelt Fakten, um zu überzeugen… und vergisst dabei auf eine wesentliche Sache! Wir wissen noch immer nicht, was welche Seite WIRKLICH will.

Allgemeine Vorbereitungen helfen, dass man nicht „blind“ herumirren muss. Diese sind wichtig. Wichtiger ist allerdings, dass man die eigene Geisteshaltung auf einen wesentlichen Gedanken ausrichtet: Um was geht es wirklich? – Karl Testor

Beim Event „Gemeindefinanzen auf Kurs bringen“ konnte der NÖ Gemeindebund den Trainer und Berater Karl Testor als Referenten gewinnen.

Stellen Sie sich vor, man würde ein Auto verkaufen wollen. Jetzt kann man hier lange über einen Autotyp, Zusatzteile wie Winterreifen oder eine Dachbox etc. verhandeln. Die Frage ist aber, was will ein Kunde über den Gegenstand hinaus? Ist Statusdenken wichtig oder Freiheitsgefühl, gemeinsame Erlebnisse, Eleganz, Erholung oder Ruhe? Arbeiten Sie mit diesem individuellen Wert, erzeugen Sie ein zufriedenstellenderes Ergebnis und eine gute Verhandlung wird wahrscheinlich! Ähnlich könnte ein Arbeitszeitgespräch verlaufen.
Wenn eine Person mit reduzierten Zeiten arbeiten will und das für die Arbeitgeberseite wirklich problematisch wäre, ist das um die Stunden zerren nur limitiert erfolgversprechend.

Versuchen wir hingegen, die Hintergründe zu verstehen, können sich komplett neue Wege eröffnen: von der Arbeitsumverteilung, mobilem Arbeiten bis hin zu technologisch gestützten Kompensationsmöglichkeiten wird vieles denkbar. Diese oberflächlichen Beispiele sollen kurz aufzeigen, dass eine gute Verhandlung vor allem eines schafft: Zugang zu den Interessen aller Beteiligten und damit kreativere Lösungen! Anstatt unser Gegenüber mit unseren Argumenten in Grund und Boden zu reden, wollen wir es verstehen. Wir stellen mehr Fragen, hören besser zu und erkennen damit Möglichkeiten und Chancen, die zuvor noch nicht einmal denkbar waren. Auf diese Weise werden Verhandlungen zu richtigen Kreativitätstools!

Wie geht das?
Als erstes einmal darf gesagt sein: Verhandeln ist wie Erste Hilfe. Sie können nur eine Sache falsch machen: es nicht zu probieren!
Hören Sie zu und stellen Sie Fragen! Wer gegen diesen Grundsatz verstößt, hat übrigens einiges mit Leonardo da Vinci und Kodak gemeinsam. Da Vinci erfand die Flugmaschine. Kodak hatte das erste Patent auf eine Digitalkamera und das erste Patent für eine serienmäßig fertigbare Digitalkamera. Doch beide waren am Durchbruch dieser Technologien nicht beteiligt! Sie waren zu früh dran. Wenn Sie Ihre Argumente dem Gegenüber an den Kopf werfen, ohne auf dessen wirkliche Bedürfnisse einzugehen, wird es Ihnen ähnlich ergehen. Dann sind die Argumente weg und haben kaum Effekt. Im schlimmsten Fall werden diese zum Bumerang und das Gegenüber mauert.

Hier sind wir beim Punkt Emotionen. Wieder zurück zum Einkaufen. Gehen wir hungrig einkaufen, landen viele Dinge im Wagerl, die erstens gar nicht notwendig wären und zweitens dann oft im Kühlschrank vergessen und schlecht werden. Emotionen zeigen uns, dass uns etwas gerade wichtig ist. Wenn wegen dieser aber Denkblockaden und irrationales Verhalten aufkommen, blockieren Sturheit und Engstirnigkeit unser offenes Denken. Dazu gehört auch, dass wir uns zu ärgern beginnen, wenn unsere Ideen nicht angenommen werden. Wenn wir dem Gegenüber zuhören und damit Wertschätzung zeigen, wird sich die Person automatisch öffnen. Verbinden wir unsere Argumente dann mit denen der anderen Seite, voilà: wirkliches Win-win!

Das Institut für Neurokognition und Führung (I.N.F.) schafft national und international Exzellenz in Führung, Organisationsentwicklung und Verhandlung. Beratung, Training und Begleitung von Implementationsprozessen basieren auf wissenschaftlich fundierten Arbeiten. Die Motivation des Unternehmens von Dr. Karl Testor ist es, “in Menschen etwas Positives auszulösen” und so durch stete Entwicklung zur Exzellenz zu führen.

Kontaktdetails finden Sie unter www.i-n-f.at und Dr. Karl Testor – Wiener Neustadt, Niederösterreich, Österreich | Berufliches Profil | LinkedIn

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