Wie digitale Lösungen Pflege erleichtern, Selbstständigkeit fördern und Gemeinden entlasten.
Autor: Bernhard Steinböck
Pflege ist und bleibt ein zutiefst menschliches Thema. Doch gerade dort, wo Nähe, Zuwendung und Verantwortung gefragt sind, kann digitale Technik heute einen entscheidenden Beitrag leisten – als stiller Helfer im Hintergrund oder, wie es Präsident Pressl in seinen Ausführungen auf Seite 6 beschreibt, als KI-gestützter Pflegeroboter in naher Zukunft. In Niederösterreich zeigen zahlreiche Initiativen, wie digitale Werkzeuge Pflege, Betreuung und Alltag spürbar verbessern können. Die sogenannte „Pflegekaskade“ erläutert diesen Weg in klaren Phasen – von der Prävention über Alltagsunterstützung bis zur intensiven Pflege. In jeder Phase können digitale Systeme gezielt eingesetzt werden, um Selbstständigkeit zu erhalten und Angehörige wie Gemeinden zu entlasten.
Phase 1: Prävention und Sicherheit – Digitale Nähe statt Isolation
Im ersten Abschnitt der Pflegekaskade geht es darum, ältere Menschen möglichst lange aktiv, mobil und sozial eingebunden zu halten. Hier leisten digitale Angebote bereits heute wertvolle Dienste – von Hausnotrufsystemen über digitale Trainingsplattformen bis hin zu Senioren-Apps, die Bewegung und Gedächtnis spielerisch fördern. So hat auch der Verein „Kleinregion Waldviertler
Kernland“ digitale Gesundheitsbegleitung in die Seniorenberatung integriert. „Für ältere Menschen ist der Zugang zur digitalen Welt oft eine Herausforderung. Daher haben wir das Format der Smart Cafés entwickelt“, erzählt Geschäftsführerin Doris Maurer. Ehrenamtliche – meist gleichaltrige „Handy-Begleiter“ unterstützen in Smart Cafés Pensionisten aus der Umgebung. Eine eigens
entwickelte App (STUPSI) animiert die ältere Bevölkerung zu mehr Bewegung, sozialer Teilhabend digitaler Alltagshandhabung. Auch Rufsysteme mit GPS-Ortung gewinnen an Bedeutung: Sie geben Sicherheit für alleinlebende Menschen und ermöglichen Angehörigen rasche Reaktion bei Notfällen – ohne ständige Kontrolle oder Überwachung. Das stärkt Selbstvertrauen und Eigenständigkeit.
Phase 2: Unterstützung im Alltag
Viele pflegebedürftige Menschen leben weiterhin selbstständig, benötigen aber kleine Hilfen im Alltag. Hier kommen zunehmend digitale Alltags- und Smart-Home-Lösungen zum Einsatz:
- Sensorik im Wohnraum, die erkennt, ob Herd oder Licht ausgeschaltet sind,
- automatische Sturzerkennungssysteme,
- intelligente Sprachassistenten, die an Medikamente oder Arzttermine erinnern, und
- digitale Lieferservices, die Mahlzeiten oder Medikamente direkt an die Haustür bringen.
In Österreich ist der Verkauf von rezeptpflichtigen Medikamenten über das Internet zwar verboten. Lieferdienste wie Foodora und Mjam schließen sich aber vermehrt mit Apotheken zusammen und bieten beispielsweise im Raum Wiener Neustadt, aber auch um Korneuburg Lieferungen für Bestellungen von nicht rezeptpflichtigen Medikamenten an.
Phase 3: Medizinisch-pflegerische Basisversorgung – Telepflege als Bindeglied
Wenn regelmäßige pflegerische Unterstützung notwendig wird, gewinnen digitale Systeme an strategischer Bedeutung. Besonders Telepflege – also die virtuelle Betreuung durch Pflegekräfte und Ärzte – eröffnet neue Wege. Auch die elektronische Pflegedokumentation hat sich in einigen Organisationen bereits etabliert. Digitale Einsatzplanung sorgt dafür, dass Pflegekräfte effizienter eingeteilt werden, Routen optimiert und Doppelbesuche vermieden werden.
Phase 4: Teilstationäre Betreuung – Digitale Koordination als Schlüssel
Nach Krankenhausaufenthalten oder während Phasen der Entlastung pflegender Angehöriger ist reibungslose Abstimmung entscheidend. Hier helfen digitale Plattformen, die Informationen zwischen Krankenhaus, Hausärzten, mobilen Diensten und Angehörigen bündeln. Niederösterreich nutzt dafür zunehmend vernetzte Pflegemanagement-Systeme, in denen alle Beteiligten Zugriff auf aktuelle Daten haben.
Phase 5: Alternative Wohnformen
Auch alternative Wohnformen profitieren von digitalen Helfern. In Seniorenwohnen NÖ, dem vom Land unterstützten Pilotprojekt, sind bereits Smart-Home-Elemente integriert: automatische Beleuchtung, Temperatursteuerung, Notrufsysteme und zentrale Kommunikation mit Betreuungspersonal. Die Bewohner bleiben so selbstständig, wissen aber, dass im Notfall Hilfe nur einen Knopfdruck entfernt ist.
Phase 6: Intensive häusliche Pflege – Wenn Technik zum stillen Begleiter wird
In der 24-Stunden-Betreuung oder bei chronisch erkrankten Personen kommen zunehmend digitale Assistenzsysteme zum Einsatz. Sensoren überwachen Vitalwerte wie Puls oder Blutdruck und melden Auffälligkeiten automatisch an Pflegekräfte. Digitale Medikamentenspender erinnern an Einnahmezeiten oder benachrichtigen, wenn eine Dosis ausgelassen wurde. Solche Systeme werden etwa in Kooperation zwischen Caritas NÖ-West und Technologiepartnern getestet. Gerade bei Menschen mit Demenz kann Sensorik helfen, gefährliche Situationen zu vermeiden, ohne die Privatsphäre zu verletzen, heißt es aus der Praxis.
Phase 7: Stationäre Versorgung
Auch Pflegeheime und stationäre Einrichtungen nutzen digitale Technologien, um Qualität und Sicherheit zu erhöhen, so wie beispielsweise das von der Stadtgemeinde Stockerau betriebene Pflegeheim. Im Jahr 2025 erfolgt gemäß den Vorgaben die Auftragsvergabe betreffend einer Pflegeprogrammerweiterung, um zukünftig ärztliche Befunde direkt, vom Krankenhaus oder vom Allgemeinmediziner an das Pflegeheim weiterleiten zu können. „Durch diese programmtechnische Erweiterung wird eine rasche und direkte Weiterleitung von Befunden zwischen den einzelnen Gesundheitseinrichtungen ermöglicht“, erklärt Markus Griebl – Heim- und Pflegedirektor des Pflegeheims Stockerau. Das verkürzt nicht nur Wege, sondern verbessert auch die Versorgungsqualität und reduziert Dokumentationsaufwand. Zudem ermöglichen digitale Angehörigenportale, dass Familien in Echtzeit informiert bleiben – etwa über Aktivitäten, Gesundheitszustand oder Besuchszeiten. Das stärkt Vertrauen und Transparenz. Die Digitalisierung ersetzt keine Pflegekraft und kein menschliches Gespräch. Aber sie unterstützt dort, wo Strukturen entlastet, Wege verkürzt und Abläufe erleichtert werden können. Gemeinden spielen dabei eine entscheidende Rolle und können hierbei vor allem eine Brücke zwischen Innovation und Alltag bilden.
Förderung
Das Land Niederösterreich fördert eine Digitalisierungsoffensive in Pflege und Betreuung mit bis zu zwei Millionen Euro für die Jahre 2025/26. Ziel ist es, innovative digitale und technische Hilfsmittel im Alltag von Pflegeeinrichtungen, Diensten und Betreuungsorganisationen einzusetzen — etwa einfach nutzbare Kommunikationstools oder automatisierte Pflegedokumentation.
Gefördert werden Projekte, die Zeit sparen und Pflegekräfte entlasten – mit einem Maximalbetrag von etwa 50.000 Euro pro Antrag.
